ASIsafe für den Aufbau der Sicherheitstechnik in Retrofit-Projekten
Zur Verarbeitung von großen Glasscheiben hat Saint-Gobain Solar im Werk Mannheim eine etwa 300 Meter lange Anlage aus vorhandenen Einzelmaschinen aufgebaut. Außer der Automatisierung stand vor allem die Sicherheitstechnik im Fokus der Aufmerksamkeit. Dabei erwies sich ASIsafe als geeignete Lösung, weil sich diese ohne großen Installationsaufwand realisieren lies und so viel Zeit gespart werden konnte.

"AS-Interface mit Safety-Funktion ist deshalb in manchen Anwendungsfällen so interessant, weil dieses Bussystem auf der untersten Feldebene sowohl für die Standardautomatisierung als auch für sicherheitsgerichtete Anwendungen sehr einfach zu handhaben ist", betont Dipl.-Ing. Andreas Ade, Inhaber der Firma AAC Ade Automation Consulting GmbH. Als Automatisierungsspezialist und Siemens Solution Partner hat das Unternehmen in Landau den Umbau einer Anlage zur Verarbeitung von Glasscheiben bei Saint-Gobain Solar in Mannheim übernommen. Ingolf Ripberger, BU Director Solar Transformation Europe bei Saint-Gobain Solar, bestätigt: "Wir haben die Glasverarbeitungsanlage im Rahmen eines Retrofit-Projekts auf den neuesten Stand der Technik gebracht und suchten eine Sicherheitslösung, die bezüglich des Installationsaufwands wenig Zeit in Anspruch nimmt."
Die Anlage besteht aus etwa zehn Arbeitsschritten, wobei die unterschiedlichen Funktionsmodule über das Bussystem Profinet miteinander verkettet sind. Um möglichst rasch die volle Produktionsleistung zu erreichen, musste die Sicherheitstechnik schnell zu installieren sein. Der zweite, entscheidende Aspekt war die gewünschte Flexibilität der Sicherheitstechnik, denn so lassen sich Anlagenmodifikationen mit geringem Aufwand sicherheitstechnisch realisieren. Beides war mit ASIsafe möglich.
"Aus unserer Sicht als Anlagenbetreiber bietet ASIsafe genau die Eigenschaften, die wir benötigen", versichert Ingolf Ripberger. "Denn das Bussystem ist einfach in der Handhabung und so flexibel, dass wir bei Bedarf in kürzester Zeit neue Safety-Szenarien erweitern können, falls diese erforderlich sein sollten." 100 Meter kann eine solche ASI-Leitung lang sein, die über Repeater und Extension Plug auf 600 Meter erweiterbar ist. So lassen sich bis zu 31 fehlersichere ASI-Teilnehmer auf der typisch gelben, trapezförmigen Leitung verarbeiten. Je nach Kopfbaugruppe der Simatic ET 200SP können bis zu 29 ASIsafe-Netze pro Station aufgebaut werden. "Flexibilität, Leistungsfähigkeit und einfache Handhabung sprechen deshalb für sich - nicht nur bei diesem Retrofit-Projekt", kommentiert Andreas Ade.
Busbasierte Sicherheitstechnik versus konventionelle Verkabelung
Andreas Ade berichtet: "Begonnen hat alles bei der Wendestation der geschnittenen Glasscheiben, in der sich über ein Dutzend Not-Halt-Befehlsgeräte befinden." Die von Andreas Ade durchgeführte Gefahrenanalyse ergab, dass zum Schutz von Mitarbeitern und Anlage die Sicherheitsklasse SIL2 gemäß EN 62061 erreicht werden muss. Die bereits vorhandenen Sicherheitsbefehlsgeräte waren nur einkanalig ausgeführt, mit einem Meldekontakt. Die ASIsafe-Variante bot sich an, weil die gekapselten Meldegeräte nachträglich mit einem zweiten Kanal (Öffner-Kontakt) und einem ASIsafe-Element versehen werden konnten. "ASIsafe hat einfach auch den Vorteil, dass eine sicherheitstechnische Erfassung/Abschaltung und Diagnose in einem möglich sind", erläutert Andreas Ade.
Für die Integration der Sicherheitstechnik in die Produktionsanlage war ein Zeitfenster von einem halben Tag veranschlagt, was aus Sicht des Automatisierungsspezialisten Ade mit konventionell verdrahteter Sicherheitstechnik nicht realisierbar gewesen wäre. "Mit ASIsafe kein Problem", lautet seine Erfahrung. Zum Einsatz kam der CM AS‑i‑Master in Kombination mit dem fehlersicheren Erweiterungsmodul F‑CM ASi‑i‑Safety für die dezentrale Peripherie Simatic ET 200SP von Siemens. Eine solche Zusammenstellung ergibt einen äußerst kompakten AS‑i‑F‑Link. "Diese Lösung ist extrem kompakt und hat deshalb hervorragend in den neuen Schaltkasten vor Ort gepasst", erwähnt Bernd Geider, Inhaber der Firma Bernd Geider Elektrotechnik, die die Schaltschränke für dieses Projekt modifiziert bzw. neu geliefert hat.

Vereinfachtes Engineering durch integrierte Sicherheitstechnik
Für die Sicherheitslösung ASIsafe lassen sich individuelle Abschaltszenarien programmieren und bei Bedarf anpassen. Statt mehrerer unterschiedlicher Programme genügt hier Step7 von Siemens für die Standard-Automatisierung mit Safety Integrated als Ergänzung. Alternativ dazu kann das Engineering Framework TIA Portal eingesetzt werden, das bezüglich Handhabung und Leistungsumfang mehr zu bieten hat, nämlich die Projektierung der AS‑i-Netzwerk-Topologie vergleichbar zu Profinet und Profibus sowie Antriebsfunktionen.
"Alles auf einer Plattform realisieren zu können, ist in der Tat ein großer Vorteil für Automatisierer", betont Andreas Ade. Welche Vorteile Systemdenken gemäß Totally Integrated Automation (TIA) hat, wurde beim Retrofit-Projekt in Mannheim an vielen Stellen sichtbar. Ein Beispiel: Um Zeit und Installationsaufwand zu sparen, erfolgt die Kommunikation sämtlicher Anlagenteile bzw. -module über funkbasiertes Profinet (WLAN). "So konnten wir auf die Installation vieler zusätzlicher Kabelbrücken verzichten und haben so erheblichen Aufwand und Kosten gespart", fasst Ingolf Ripberger zusammen.
Fehlersicheres WLAN spart erheblichen Installationsaufwand
Die Steuerungstopologie basiert auf einer fehlersicheren Steuerung Simatic S7‑317F‑2 PN/DP von Siemens, die sich im neu konfektionierten Schaltschrank der Anlage befindet. Daran angeschlossen ist über eine RJ45-Schnittstelle ein Wireless LAN Access Point Scalance W761‑1 mit einer Datengeschwindigkeit von 150 Mbit/s. Diese übersichtliche Lösung für den Schaltschrank versorgt die Maschinensteuerungen der einzelnen Anlagenteile mit den notwendigen Informationen.
In sechs Teilanlagen-Schaltschränken wurden die notwendigen WLAN Clients ergänzt und über Profinet mit der dezentralen Peripherie Simatic ET 200S mit der Kopfbaugruppe IM 151‑3 PN High Feature verkabelt. Auf diese Weise entstand ein Profinet-Netz, das außerhalb der Schaltschränke ohne die typische, grüne Leitung auskommt. Dieser Aufbau bot die Möglichkeit, die Sicherheitstechnik an den Stellen busbasiert durchzuführen, wo ASIsafe noch nicht zum Einsatz kommt.
Ingolf Ripberger: "Die Aufgabenstellung lag unter anderem darin, die Sicherheitssysteme der einzelnen Teilanlagen in ein gemeinsames Sicherheitskonzept zu integrieren, um die Anforderungen der Aufsichtsbehörden zu erfüllen." Weil die WLAN-Lösung über eine VPN-Verbindung nicht nur Profinet, sondern auch Profisafe verarbeiten kann, bot sich die Funklösung auch für die Sicherheitstechnik an. Hierzu wurden die Simatic ET 200S-Stationen zusätzlich mit fehlersicheren Modulen ausgestattet, die über konventionelle Sicherheitsschaltgeräte und Parallelverdrahtung die Sicherheit garantieren oder direkt mit den fehlersicheren Frequenzumrichtern Sinamics G120 verbunden sind. Bernd Geider ergänzt: "Sollte sich während des Betriebs der Anlage zeigen, dass weitere Sicherheitsmaßnahmen notwendig werden, können wir diese über Profisafe integrieren oder die gelbe ASIsafe-Leitung durch die Anlage schleifen."

Systemdenken und Plug and Play für moderne Sicherheitslösungen
Damit wurde eine Lösung gefunden, die einen übersichtlichen und flexiblen Aufbau sowohl der Steuerungstechnik als auch der Sicherheitstechnik ergibt. Vor allem für Anlagen, die aus unterschiedlichen Teilmaschinen aufgebaut sind, erweist sich das gewählte Sicherheitskonzept auf Basis von ASIsafe und Profisafe technisch und wirtschaftlich als sinnvoll.
In Verbindung mit der fehlersicheren WLAN-Kommunikation über VPN-Tunnel konnte viel Installationsaufwand gespart werden, was sich positiv auf Realisierungszeit und -kosten auswirkte. Sollte der Datenverkehr über die Funkverbindung abbrechen, geht die Anlage sofort in einen sicheren Betriebszustand, d. h. sie schaltet komplett ab.
Für Andreas Ade, dessen Hauptaufgabengebiet in der Glasindustrie und bei Rohrbiegemaschinen liegt, gab es beim Retrofit-Projekt zur Glasscheibenverarbeitung bei Saint-Gobain Solar in Mannheim gleich zwei Premieren: ASIsafe und WLAN Safety - und zwar in Kombination. Sein Resümee fällt dabei eindeutig aus: "Die ganzheitliche Betrachtung von Automatisierung und Sicherheitstechnik hat viele Vorteile - der größte heißt Flexibilität und Zeitgewinn durch Plug and Play."